Bütow / Heitmann
Allgemeine Namensherkunft Bütow:
Herkunftsname aus dem gleich lautenden Ortsnamen (Mecklenburg/Vorpommern, ehem. Pommern/jetzt Polen.
Die Familie Bütow war immer politisch sehr interessiert und aktiv. Einen großen Einfluß hatte hier sicher die Familie Heitmann, aus der Maria Bütow stammte. So berichtet Jens Ulbricht in seinem Dorfbuch zur 800-Jahr-Feier des Dorfes Niendorf a. d. St. (langjähriger Wohnort der Familie Bütow) über die Zeit im Dritten Reich:
"... Öffentlicher Widerstand ist dem Chronisten nur von einer einzigen Person berichtet worden: Maria Bütow geb. Heitmann. Diese Arbeiterfrau war bekannt dafür, dass sie in couragierter Weise jedermann ihre Meinung ins Gesicht sagte. Ihr Mann Karl hatte sich vor der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (ein linksorientiertes Bündnis aus der Weimarer Zeit) einen Namen gemacht. Er hatte junge SA-Leute gezwungen, das NSDAP-Plakat, mit dem sie seine Plakate überklebt hatten, wieder abzureißen. Aber nach der Machtergreifung wurde es ruhiger um Karl Bütow. Zwar vermied er es nach Möglichkeit, Heil Hitler zu sagen, aber mit Ausreden wie Rheuma und dergleichen. Doch seine Frau war aus härterem Holz geschnitzt. Sie antwortete auf den Hitlergruß: "Du kannst mi mal fix an'n Mors klarr'n" (Es ist ein trauriges Zeichen für das Aussterben der plattdeutschen Sprache, daß aus "Mors klarr'n" in der rnündlichen Überlieferung "Heil Moskau" wurde.).
Auch die zweite öffentliche Protesthandlung ist an den Namen Maria Bütow gebunden: Als Lehrer Hansen seine Stelle in Niendorf bekam, erschien er zuerst in SA-Uniforrn, was Karl Bütow am 1. Mai zu dem familiären Kommentar veranlasste: "Do hebbt wi aver ok een herkregen". Selbst in der eigenen Familie war Karl Bütow vorsichtig, wo er doch seine Tochter Ella vom SA-Ball von Breitenfelde nach Hause gebracht hatte. Aber es waren nun schon ein paar Jahre vergangen. Alles, was an parteilicher oder bündischer Jugend gewesen war, war entweder verboten, oder in die nationalsozialistischen Jugendorganisationen eingeflossen. Es dauerte nicht lange, da gab der neue Lehrer Hansen bekannt, wie alle anderen Lehrer auch, dass am Sonnabend nur für die 1. - 4. Klasse Schule sei. Alle anderen "mussten" nach Breitenfelde. Die Eltern Bütow verboten ihrer Tochter, zum "Dienst" nach Breitenfelde zu gehen. Sie schickten sie in die Schule. Sie war die einzige vom 5. - 8. Schuljahr, die in die Schule ging. Hansen schickte sie wieder nach Hause, wo sie heulend ankam. Mutter Maria nahm sie an die Hand, marschierte mit ihr in die Schule und machte Lehrer Hansen eine große Szene, in der sie sich durchsetzte. Mariechen ging weiter in die Schule, alle anderen zum Dienst nach Breitenfelde..."
Als 83-jährige hat meine Tante Marie Erinnerungen an ihre Kinderzeit aufgeschrieben. Hier ein Auszug davon:
... Wir wohnten in Niendorf/a.d.Stecknitz. Unsere erste Wohnung hatte der Dorfschäfer früher bewohnt. Darum auch die große Weide. Wir waren die Kinder aus dem Schäferkaten. Es heißt heute noch Schäferredder. Dann gab es noch die Barackenkinder. Das waren die Leute, die auf dem Gutshof in der Baracke wohnten. Die anderen Kinder hießen Dorfkinder und Bauernkinder. Gespielt haben aber alle zusammen.
Unsere Schule war eine Einklassige. Das heißt, Oberstufe und Unterstufe in einem. Handarbeit ein Mal in der Woche. Das machte die Frau vom Lehrer. Im Sommer hatten wir Vogelschießen. Darauf freuten wir uns alle. Die Jungs schossen mit einer Armbrust nach einem hölzernen Vogel. Wir Mädchen hatten Topfschlagen. Nachmittags und abends wurde getanzt. Mutter hatte für Ella und mich ein Kleid aus Waschseide genäht. Kariert und weiße Kragen, am Ärmel Aufschläge. Hermann bekam einen Anzug. Den Stoff hatte er für das Kühehüten von Bauer Albrecht bekommen.
Jedenfalls sahen wir wohl nett aus. Das missfiel wohl Frau Bauer H... (Name geändert). Die stand vor der Tür und ihr Erstaunen war: "Nanu, man kann die Arbeiterkinder ja nicht mehr von den Bauernkindern unterscheiden!". Ella hat das im Hause erzählt, ich war wohl noch nicht alt genug, um es zu verstehen. Unsere Mutter hat der ganz schön die Meinung gesagt. Das ging so: "Wenn meine Kinder besser aussehen als Deine, kann ich es auch nicht ändern. Komm Du noch mal und ich soll in der Not helfen. Kannst Deinen Dreck alleine machen." Mutter musste wohl oftmals helfen.
Ella hat den Standesunterschied wohl mehr mitbekommen, sie war sechs Jahre älter als ich. Ich habe den Unterschied nicht so gemerkt. Aber es ist wohl früher vereinzelt schlimm gewesen ...
Später wohnte Familie Bütow im Kutscherhaus des Herrenhauses von Niendorf. Nachdem die Kinder erwachsen geworden und andernorts "in Stellung" oder zur Ausbildung waren, kehrten die Töchter Ella und Marie zum Ende des 2. Weltkriegs in das Elternhaus zurück: Schwiegersohn Paul und Sohn Hermann waren in Kriegsgefangenschaft, Schwiegersohn Heinrich in Russland vermisst und meine Mutter Ella war mit meinem Bruder Heinrich schwanger. Heinrich wurde im Kutscherhaus im Februar 1945 geboren. Er und meine Mutter lebten dort bis zur 2. Heirat meiner Mutter 1953.
Hausherr im Herrenhaus war ab 1939 Walter von Hollander, ein Journalist und Lebensberater. Mit der Hörfunk-Sendung "Was wollen Sie wissen?" beim damaligen NWDR wurde er berühmt. In seinem Herrenhaus in Niendorf trafen sich nach dem 2. Weltkrieg Persönlichkeiten wie Peter von Zahn, Axel Eggebrecht, Ray Heycock und Hugh Carlton Greene, um über den Aufbau des Medienwesens in der Bundesrepublik zu beraten. Axel Springer fasste hier den Entschluss, den Axel-Springer-Verlag zu gründen.
Die ganze politische Szenerie fand natürlich großes Interesse, insbesondere bei meiner Großmutter. Nicht selten führte sie Diskussionen mit Walter von Hollander am Gartenzaun, denn wie man sich denken konnte, waren sie nicht immer einer Meinung ...
Das Herrenhaus war mehrfach Drehort für Spiel- und Fernsehfilme. Zuletzt wurde hier 2018 die Kieler Tatort-Folge "Borowski und das Haus der Geister" gedreht. Aber auch schon früher gab es Filmaufnahmen im Kutschhaus z.B. einen Film mit Dieter Borsche (Filmname leider unbekannt).
Johann Heinrich Christoph Bütow hat seine Frau mit samt den vielen Kindern verlassen, um angeblich nach Amerika zu gehen. Sie hat nie wieder etwas von ihm gehört und deshalb die Scheidung vollzogen. Den schlechten Zeiten entsprechend hatte sie es sehr schwer, ihre Kinder und sich zu versorgen. Sollte jemand etwas über den Verbleib von Johann Heinrich Christoph Bütow wissen, möge er sich doch bitte mit uns in Verbindung setzen.
Familienbilder Bütow
Die Familie Heitmann war immer sehr politisch interessiert. Sie waren zum Teil aktive Sozialdemokraten und hatten zu Zeiten von Bismarck unter dem "Sozialistengesetz" zu leiden. Der Überlieferung nach sollen sie ihre Parteizeitungen immer im Hühnerstall versteckt haben. Sie traten couragiert für ihre Interessen ein, sodass Johann Joachim Christian Heitmann eines Tages sogar wegen Kaiserbeleidigung verurteilt wurde.
Seine Ehefrau Maria Sophie Elisabeth Heitmann versammelte nahezu jeden Sonntag ihre erwachsenen Kinder um sich und diskutierte mit ihnen die politische Lage. Ohne Verbissenheit, aber mit viel Weitblick und Belesenheit legte sie ihnen ihr Weltbild dar. Sie war wohl eine der wenigen, die Hitlers "Mein Kampf" gelesen hatte und sie schon früh zu einer Gegnerin des Dritten Reiches werden ließ. Das Mutterkreuz, das sie wegen ihrer vielen Kinder erhalten hätte, hat sie offiziell abgelehnt mit der Begründung "...dass sie nicht Kinder in die Welt gesetzt hätte, damit andere sie in einen von ihr nicht gewollten Krieg schicken und sie dann erschießen lassen."
Ihre Enkelin Ella Bütow, meine Mutter, verbrachte die ersten fünf Lebensjahre bei ihr. Sie hatten ein sehr inniges Verhältnis zueinander. So kam es auch, dass der Künstler A. Paul Weber, bei dem meine Mutter viele Jahre im Haushalt beschäftigt war, ihre Großmutter malte und Ella Bütow das Bild zum Geschenk machte. Maler und Modell sollen sich sehr gut verstanden haben – sicherlich auch wegen der ähnlichen politischen Gesinnung.
Das Original ging zunächst in den Besitz meines Bruders, Heinrich Steinwarder, über, da er seine Urgroßmutter noch kurzzeitig kennenlernen durfte. Nach seinem frühen Tod vererbte er das Bild meinem Sohn Jan Giercke, der das Gemälde dem A. Paul Weber-Haus in Ratzeburg weiterhin als Leihgabe zur Verfügung stellt.